Erweiterung Schulanlage Davos Platz / Jurybericht September 2022
Mālama Erweiterung Schulanlage Davos Platz
Erläuterungstext
1. Mālama
[ hawaiianisch: beschützen, bewahren, wertschätzen ]
Dieser Begriff steht in der hawaiianischen Kultur für eine gesellschaftliches
Grundverständnis von Bewahrung und Wertschätzung des Gegebenen.
Während aktuell ein Viertel aller CO2-Emissionen in der Schweiz aus dem
Gebäudesektor stammen, steht jeder Neubau vor der Aufgabe einer
ressourcenschonenden Erstellung sowie einem energiesparenden Betrieb gerecht
zu werden. Somit gleicht es einer Selbstverständlichkeit eine integrale Lösung mit
dem Bestand zu suchen, besonders an einem Ort, welcher so direkt in Bezug mit
der zukünftigen Generation steht – ihr ein Vorbild sein will.
Sowohl städtebaulich als auch funktional positioniert sich das bestehende
Gebäude logisch zwischen den beiden Schulhäusern und dient dort als
verbindendes Element. Der alte Zwischenbau wird an den Längsseiten erweitert
und um ein Geschoss aufgestockt, um den gewachsenen Anforderungen des
Raumprogramms zu entsprechen.
Der Neubau stülpt sich somit über die gesamte, bestehende Struktur und wird
gänzlich von einer neuen Fassadenhülle umschlossen, welche den thermischen
Bedürfnissen genügt, als auch einen neuen ästhetischen Anspruch verfolgt. Der
Hybrid erscheint von aussen als Neubau, besteht jedoch zu 40 % seines Volumens
aus der bereits bestehenden Struktur, wodurch dessen Anteil an grauer Energie
erheblich eingespart werden kann.
2. Struktur & Statik
Die bestehende Struktur aus Betonschotten wird an den Längsseiten jeweils um
einen Leichtbau ergänzt. Die Anbauten sind aus einem Stützensystem aufgebaut,
welches sich auf die bestehenden Wandachsen bezieht. Dieses wird mit
Brettstapeldecken überspannt und ist nach aussen durch eine selbsttragende
Holzständerfassade abgeschlossen. Dank der geringen Spannweiten von 4,50 m
können alle tragenden Bauteile wirtschaftlich dimensioniert werden und
ermöglichen ein hohes Mass an Flexibilität.
Die seitlichen Schichten sind statisch vom Bestand entkoppelt, wobei das
aufgestockte, dritte Obergeschoss hauptsächlich über eben jene Anbauten
abgeführt werden kann. In die Bestandsstruktur wird nur geringfügig eingegriffen,
wodurch nicht von einer statischen Ertüchtigung der Betonschotten ausgegangen
werden muss. Das Untergeschoss wird zum Hof hin abgegraben und durch eine
zusätzliche Raumschicht aus Sichtbeton ergänzt.
Der Holzbau lässt sich zum Grossteil in Elementen vorfabrizieren und vor Ort vor
den Bestand fügen. Damit wird die effektive Rohbauphase deutlich reduziert und
kann innerhalb einer Bausaison erfolgen. Dank des geringen Abbruchs des
Bestands und der raschen Fertigung des Rohbaus werden die Arbeiten
hauptsächlich im Inneren ausgeführt, wodurch mit deutlich geringeren
Lärmemissionen im Unterrichtsbetrieb gerechnet werden kann.
3. Die fliegenden Klassenzimmer
Die Erweiterung der Schulanlage Davos-Platz teilt sich inhaltlich in zwei Bereiche:
Ein öffentliches Erdgeschoss leitet von der Schulstrasse zum Pausenhof und bildet
die Verbindung zwischen den drei Schulgebäuden. Darüber positionieren sich die
gemeinschaftlichen Lern- und Arbeitsbereiche.
Extrovertiert
Das Erdgeschoss des Zwischenbaus bildet über mehrere Etappen die fliessende
Verbindung zwischen Schulstrasse und Pausenhof. Über einen eingerückten
Eingangsbereich wird man hinab in das untere Splitlevel geleitet. Dort bilden die
Aufenthaltsbereiche der Tagesschule den kommunikativen Kontenpunkt zwischen
Oberstufenhaus, Talentschule und Primarschule. In deren Zentrum liegt der
überhöhte Essensraum, welcher unterteilt und als Aula genutzt werden kann. Die
Aufenthaltsbereiche gehen unmittelbar in den gedeckten Pausenhofbereich über,
welche gleichzeitig die gedeckte Verbindung zwischen den drei Schulhäusern bildet
und vom restlichen Hof abgehoben ist.
Introvertiert
Während sich das Erdgeschoss nach aussen orientiert, ordnen sich die
Obergeschosse um ein innenliegendes Atrium. In dieser intimeren Atmosphäre
stapeln sich Klassenzimmer und dazugehörige Verwaltungsbereiche gegenüber.
Durch die Splitgeschossigkeit stehen alle Räume jeweils zwischen zwei
gegenüberliegenden Bereichen, wodurch kurze Wege entstehen und sich eine
Vielzahl an Synergien nutzen lassen.
Lernlandschaft
Das Atrium sowie die vielseitigen Flurbereiche sind als attraktive
Kommunikationsflächen mit unterschiedlichen Aufenthaltsbereichen konzipiert.
Somit werden selbst die Erschließungszonen zu lebendigen Bereichen, die das
komplexe Schulleben auf vielschichtige Weise vernetzen und bereichern. Die
Erweiterung zur Hoffassade, ermöglicht Querverbindungen innerhalb der
Schulräume, wodurch moderne und flexible Unterrichtsweisen begünstigt werden.
4. Erschliessung
Der neue Zwischenbau ist auf Grundlage der bestehenden Treppenhäuser
strukturiert. Waren die beiden Erschliessungskerne im Bestand noch voneinander
getrennt, ermöglicht nun die neue Raumstruktur einen zentralen Rundweg im
Inneren des Gebäudes, welcher sich um das Atrium dreht. Dies ermöglicht einen
vielfältigen Bewegungsfluss im Schulhaus und vermeidet stichflurartige
Sackgassen.
Die ursprünglich gleichwertigen Treppenhäuser werden nun klar in ihrer
Öffentlichkeit hierarchisiert. Durch die Ergänzung eines Personenlifts können
sämtliche Räume im Schulhaus barrierefrei erreicht werden. Bei der vertikalen
Erschliessung des Gebäudes wird an jedem Podest vom Neubau in den Bestand
und andersherum gewechselt, wodurch ein stetiger Dialog der beiden Gebäudeteile entsteht.
5. Natürliches Raumklima
Durch eine integrierte Planung im Entwurfsprozess kann eine behagliches
Raumklima zum größten Teil natürlich erzeugt werden, wodurch der Energiebedarf
im Betrieb deutlich reduziert wird.
Sommer
In den Sommermonaten kann auf eine kontrollierte Lüftung verzichtet werden.
Über gezieltes Öffnen lassen sich über die fassadenintegrierten Lüftungselemente
alle Lern- und Arbeitsbereiche querlüften. Dabei fungiert das offene Atrium als
eine Art natürlicher Kamin, in dem warme Luft nach oben steigt und dabei kühle
Luft über die Lüftungselemente der Fassade ins Innere nachströmt.
Durch den Erhalt der Bestandsstruktur besitzt der neue Leichtbau bereits genug
Speichermasse, um eine effektive Nachtauskühlung zu ermöglichen. Der
Überhitzung über die verglasten Längsfassaden beugen auskragende, horizontale
PV-Bänder vor.
Winter
Durch die tiefstehende Wintersonne lassen sich an den Längsfassaden hohe solare
Erträge erzeugen, wodurch sich der Heizwärmebedarf deutlich reduzieren lässt. In
den kritischen Kälteperioden lässt sich die Zuluft zentral über einen
Erdwärmetauscher vortemperieren, bevor sie über die abgehängten Korridore in
die Klassenzimmer eingeblasen wird.
Energieerzeugung
Insgesamt können 700 m2 effektive Dach- und Fassadenfläche zur Nutzung von
PV-Modulen genutzt werden um den internen Energiebedarf zu decken.
6. Materialisierung & Ausdruck
Von aussen wird der Zwischenbau in seiner Farbigkeit und Materialisierung als
neuer Baustein gelesen, wobei sich die Fassade in ihrer Bandstruktur klar in das
bestehende Ensemble einfügt. Der Anbau besteht zur Gänze aus regionalem Holz
und Holzwerkstoffen, wodurch sich der Bedarf an grauer Energie minimeren lässt
und CO2 im Gebäude gespeichert wird.
Während die der Witterung ausgesetzten Bauteile durch einen Anstrich einen
modernen Ausdruck erhalten, bleiben die Oberflächen im Inneren unbehandelt. Die
Brettstapeldecken, Korkböden und lehmverputzen Innenwände bilden ein
Gegenüber zu den bestehenden Betonstrukturen und schaffen ein behagliches
Raumgefühl, welches dem Schulklima angemessen ist. Des Weiteren werden alle
neu hinzugefügten Materialen durch ihre hohe Recyclingfähigkeit den
Anforderungen an kreislaufgerechtes Bauen gerecht zu werden.
7. Brandschutz
Der östliche Treppenhauskern wird zu einem innenliegenden Fluchttreppenhaus
ertüchtigt. Über dieses lassen sich alle Aufenthaltsbereiche innerhalb der
maximalen Fluchtweglängen entflüchten. Die zusammenhängenden
Versammlungsbereiche im Erdgeschoss lassen sich grosszügig zum erhöhten
Pausenhof öffnen und somit direkt evakuieren. An der Schulstrasse sowie im
Mālama Erweiterung Schulanlage Davos Platz
Pausenhof werden die erforderlichen Aufstellflächen für Einsatzfahrzeuge
eingehalten. Der Brandüberschlag an der Holzfassade wird über die
durchlaufenden Fassadenbleche normgerecht eingeschränkt.
8. Blick in die Zukunft
Um auf sich wandelnden räumlichen Anforderungen zukünftig reagieren zu
können, wurde der neue Zwischenbau in einem flexiblen Stützenraster entworfen.
Trennwände lassen sich variabel an die Fassade anschliessen, wodurch
verschiedenste interne Umstrukturierungen und Verdichtungen denkbar sind. Bei
einer optionalen Vergrösserung der Schule lassen sich vier zusätzliche
Klassenräume im obersten Geschoss innerhalb des erstellten Volumens einziehen.
Die Stützenstruktur wird im ersten Bauabschnitt bereits entsprechend
überdimensioniert. Bis zu dieser Erstellung wird die Fläche als begehbarer
Dachgarten von Schüler:innen und Lehrer:innen genutzt.
Informationen
- Datum
- 1. November 2022
Dokumente
Name | |||
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Schlussbericht_Erweiterung_Schulanlage_Davos_Platz[1].pdf (PDF, 27.55 MB) | Download | 0 | Schlussbericht_Erweiterung_Schulanlage_Davos_Platz[1].pdf |
Mlama_Plane_A1_Abagbe.pdf (PDF, 31.81 MB) | Download | 1 | Mlama_Plane_A1_Abagbe.pdf |
Malama_1._2.Obergeschoss.pdf (PDF, 1.48 MB) | Download | 2 | Malama_1._2.Obergeschoss.pdf |
Malama_3.Obergeschoss.pdf (PDF, 1.4 MB) | Download | 3 | Malama_3.Obergeschoss.pdf |
Malama_Erdgeschoss.pdf (PDF, 2.52 MB) | Download | 4 | Malama_Erdgeschoss.pdf |
Malama_Untergeschoss.pdf (PDF, 1.92 MB) | Download | 5 | Malama_Untergeschoss.pdf |
Malama_Situationsplan.pdf (PDF, 8.58 MB) | Download | 6 | Malama_Situationsplan.pdf |
Zugehörige Objekte
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